In schwindelnder Höhe - fast 50 Meter über dem Wasserspiegel - überbrückt der Kanal des Aquädukts das tief eingeschnittene Tal des Gardon. Einst floß in der überdeckten Rinne Wasser für die römische Stadt Nemausus (heute Nîmes). Im Gegensatz zu einer benachbarten Brücke jüngeren Datums hat das Bauwerk seit über 2000 Jahren den reißenden Fluten standgehalten. 19 v. Chr. wurde die 273 m lange Brücke gebaut. Die in drei Stockwerken übereinandergestaffelten Bögen sind ohne Bindemittel aus schweren Kalksteinblöcken aufgemauert. Sie lassen erkennen, welche Sorgfalt die römischen Baumeister auf Nutzbauten verwandten und welche Bedeutung sie ihnen zumaßen. Heutigen Berechnungen zufolge flossen durch den Kanal des Pont Du Gard täglich 20 000 - 30 000 m³ bestes Trinkwasser nach Nemausus. Bei genauerer Betrachtung der auftretenden technischen Probleme verblüfft diese Baukunst noch mehr, wenn man sich vor Augen hält, daß die Römer nicht in der Lage waren, auftretende Kräfte und die spätere Belastbarkeit einer Brücke zu bestimmen. An die Stelle genauer Berechnung traten Erfahrung und ein hoher Sicherheitszuschlag. Die architektonische Geschicklichkeit der Römer wurde im Mittelalter mit übernatürlichen Konnotationen verknüpft. Da es in dieser Zeit unmöglich geworden war, deratige Bauwerke zu konstruieren, galten diese dem abergläubischen Volksmunde als "Teufelsbrücken". Die Konstruktion der Bögen ist vermutlich von den Etruskern erfunden worden, doch die Römer nutzten diese Technik erst mit dem vollen Potential aus. Der gemauerte Bogen besitzt meist Halbkreisform und wird über einem hölzernen Lehrgerüst errichtet. Der eigentliche Bogen bestand aus mit großer Präzision behauenen, keilförmigen Steinen. Dabei weisen die Fugen zum Mittelpunkt. Ein Bogen ist im Vergleich zu einem einfachen Träger gleicher Stärke um ein vielfaches belastbarer und wird bei gleichverteilter Auflast oder Eigenlast vorwiegend auf Druck beansprucht. Die auftretenden Kräfte sind in den Grafiken unten verdeutlicht. Dabei werden diese Kräfte in waagerechte und senkrechte Druckanteile aufgegliedert. Die waagerechten Druckanteile müssen durch aufwendige Vorrichtungen aufgefangen werden. Besonders tragfähig sind Bögen, die der sogenannten Stützlinie folgen. Diese kennzeichnet den inneren Verlauf der in dem Bogen auftretenden Kräfte. Am einfachsten läßt sich diese Linie ermitteln, wenn eine an zwei Punkten aufgehängte Kette um 180° gedreht wird. So betrachtet birgt der Halbkreisbogen an den Stellen Risiken, an denen sich die Stützlinie den Bogenrändern nähert. Von dieser Erkenntnis waren die Römer noch weit entfernt, sie setzte sich im 18. Jh. durch. Doch der halbkreisförmige Bogen spricht trotz dieser Bruchanfälligkeit den menschlichen Schönheitssinn besonders an und wurde aufgrund der jahrhundertelangen Verwendung zu einem Kennzeichen der römischen Architektur. Eine besondere Leistung der Brückenbauer war die Gründung der Pfeiler inmitten des Flusses. War es nicht möglich, den Fluß mit einem Damm vorübergehend umzuleiten, schufen die Arbeiter an der vorgesehenen Stelle eine künstliche Insel. Dazu wurden "Spundwände", aus Holzplanken zusammengebaute, möglichst wasserdichte Zylinder. die bis unter den Grund des Flusses reichten, gesetzt, meist gleich zwei ineinander. Der Zwischenraum wurde mit wasserundurchlässigem Ton ausgefüllt. Jetzt wurde das Wasser aus der Mitte rausgepumt bzw. geschöpft. In weichen Untergrund wurden dann dicht an dicht zugespitzte Eichenstämmevon mehreren Metern Länge und biszu 40 Zentimeter Durchmesser eingerammt und dicke Holzbohlen daraufgenagelt, die das eigentliche Fundament bildeten. Bei felsigem Untergrund wurde dieser nur gesäubert und die Steinquader mit wasserfestem Beton daraufgemauert. Dieses "opus caemantitium" war ein Gemisch aus gebranntem Kalk und einer vulkanischen Asche, die nahe dem Ort Putteoli am Vesuv abgebaut wurde. Der damti hergestellte Mörtel härtete selbst unter Wasser und ermöglichte Pfeilergründungen, die dauerhaft den Strömungen widerstanden. Nebenbei bemerkt war ein solches betonähnliches Gemisch nach dem Untergang des römischen Imperiums wieder völlig unbekannt und wurde erst im 18. Jh. "wiedererfunden"! Der Reiz des Bauwerks, mit dem die Römer den Gardon überbrückten, liegt in der uns fremd anmutenden Bauweise mit drei übereinanderliegenden Bogenstockwerken. Die untere Arkade besteht aus 6 Bögen von 22 m Höhe, die mittlere aus 11 Bogen mit je 19 m Höhe, und die oberste aus 35 Bogen, die - obwohl zierlich und klein aussehend - immerhin noch 7 m hoch sind. Die Spannweiten differieren zwischen 4,8 m und 24,5 m. Sämtliche Bögen bilden Halbkreise, die im mittleren und unteren Stockwerk so gesetzt sind, daß die Pfeiler genau übereinanderstehen und somit die Bogen selbst wenig belastet werden. Die obere Bogenreihe trägt in 49 m Höhe den Kanal. Er ist von nahezu 4 m Langen und 35 cm dicken Steinplatten bedeckt. Die gesamte Brücke wurde ohne Mörtel errichtet. Nur der eigentliche Kanal ist mit dem schon erwähnten Beton der Römer wasserdicht ausgekleidet. Durch die Anordnung der Arkaden vermittelt das Bauwerk den Eindruck wuchtiger Regelmäßigkeit. Die Bögen der mittleren und unteren Arkade setzen sich aus durchschnittlich 61 Keilsteinen zusammen, jeder mit einer durchschnittlichen Masse von etwa 6 t. Alle diese Steine mußten genau behauen und berechnet und an Ort und Stelle in 50 m Höhe gehievt werden Die dazu nötigen Baukräne hatten die Form eines durch Seile verspannen Auslegers mit Flaschenzug.